Schüler einer ganzen Grundschule, so um die 200, zusammen in der Kirche. Ich gehe mit, mein Sohn darf Fürbitten aufsagen und freute sich auf elterliche Begleitung. Der Gottesdienst wird ökumenisch veranstaltet, heißt allerdings vor allem, dass er im Wechsel mal da mal da ist und Hausherr bzw. Hausfrau den größeren Part haben. Dieses Jahr ist katholisch dran.
Nach dem üblichen Gewusel eine erste Begrüßung: “Ich bin der Pfarrer x. Wer kennt mich denn schon?” Ich frag mich kurz, um wen es im Gottesdienst wohl geht…
Dann das erste Lied. Vorne steht eine Lehrerin mit E-Gitarrre um. Ich denke: Super, das Singen ist schon mal gerettet.” Da setzt die Orgel ein. Gesangliche Begleitung hat die Schülergruppe nicht. Die Orgel ist scheinbar noch nicht wach. Wiiieeer saaaahhhgen euuuuuch aaaan deeeehhhhn lieeebeeen Adveeeeent….
Viertklässler lesen die Geschichte vom ersten Adventskranz. Hamburg. Wiechern und so. Bis sie soweit sind, ordnen sie noch ihre Blätter und Reihenfolge am Mikro. Die Zeit wird nicht moderiert, ist also leer. Die nicht beteiligten Schüler, 196, füllen die Leere schnell, Ablenkung ist ja rechts und links genug da.
Die Lehrerinnen wollen was gegen die aufkommenede Unruhe tun. Gehen aber nicht ans Mikro oder unterstützen die kramenden Vorleser in ihren Vorbereitungen. Sie gehen durch die Reihen: “Psssst da! Leise. Pschhht.” Wer bisher noch nicht abgelenkt war, ist es jetzt endgültig.
Die Vorleser beginnen. Sie machen das gut. Aber die Mikrofonanlage, an der sie noch nie standen, hat ihre besten Zeiten vermutlich im letzten Jahrtausend gesehen. Zu verstehen sind die Vorleser nicht.
Dann kommt der Schulchor. Jetzt weiß ich, wofür die Gitarre ist. Schade, dass die scheinbar und hörbare sangesfreudige Lehrerin nicht für die musikalische Begleitung auch des gemeinsamen Gesanges gesorgt hat.
Dann die Ansprache. Frontal. So wie den Rest des Morgens. Worthülsen. Abstrakte Licht-kommt-in-die-Dunkelheit-Worthülsen. Dann der Satz: “Stellt Euch vor, die Kirche wäre dunkel und nur eine Kerze würde brennen…” Wieso macht ihr das nicht, frag ich mich. Es ist kurz nach Acht. Draußen ist es dunkel. Und hier drin sind Kerzen. Das wäre mal eine Erfahrung gewesen. Oder der Satz: “Ihr kennt alle doch Krippendarstellungen, in denen Jesus in einem besonderen Licht strahlt.” Nein, kennen bestimmt nicht mal 5 Prozent der Kinder hier. Warum ist nicht so ein Bild auf dem Liedblatt? Oder, mein Verdacht, ist das die Ansprache vom Altenadvent am Nachmittag?
Dann noch ein Lied (s.o.), die Fürbitten und noch mal der Chor. Der kriegt Applaus. Dann ist Schluss.
Welche verpassten Chancen! Die Chance, fröhlich miteinander fetzige Weihnachtslieder zu singen. Die Chance, achtsam zu sein mit denen, die aufgeregt vorne etwas beitragen und aufsagen. Die Chance, starke Bilder der Adventsbotschaft zu erzeugen und Advent gemeinsam zu erleben. Die Chance, gleichberechtigt als katholischer und evangelische Geistliche den Gottesdienst gemeinsam zu gestalten. Die Chance, Kinder in ihrer Spiritualität Ernst zu nehmen.
Anmerkung: ich weiß, dass es viele andere Beispiele gibt. Das ist gut so und hoffentlich sind die in der Überzahl. Aber auch das hier ist Realität. Und es war an diesem Dezembermorgen meine, die meines Sohnes und 200 anderer Schülern und ein paar Eltern.