Siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. (Wochenspruch aus Jesaja 60,2)
Dunkel bedeckt die Völker – welch ein passendes Bild für all das, was uns in diesen Tagen begegnet: Alles Tun wird unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten bewertet, keine Rücksicht auf die, die nicht mithalten. Nationale Interessen begründen jede Form der Ausgrenzung. Wer anders ist, sei es durch Herkunft oder Überzeugung, hat einen schweren Stand. Auf der Strecke bleiben Menschlichkeit, Wahrheit und Hoffnung.
Vor 2.700 Jahren hat der Prophet Jesaja genau diese Feststellung auch gemacht. Mit gutem Grund: auch um ihn herum verdunkelte sich die Weltgeschichte: sein Volk war verschleppt worden und befand sich in Gefangenschaft oder in seiner zerstörten Heimat. Neue Mächte machten sich stark und ließen keinen Zweifel daran, wer den zukünftig Nummer Eins sei. Wo ist dann unser Platz? Wird das gut ausgehen? Jesaja erkennt diese Not, doch seine Zusage beschreibt ein Gegenbild: über uns erscheint Gottes Herrlichkeit. Ganz schön gewagt. Oder naiv?
Gerade mal vor sechs Wochen haben wir in der Weihnachtsgeschichte gehört: „Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“ Wie also reagieren auf die Hasstiraden, die Einschüchterungen und Ausgrenzungen? Zunächst einmal bin ich beeindruckt vom festen Glauben, dass die Finsternis und das Dunkel nicht das letzte Wort haben. Ich verstehe es aber auch als Aufforderung, der Herrlichkeit, also einer göttlichen, oder sagen wir menschlichen Welt, Platz zu machen, mit Taten und mit Worten.
Wir eröffnen am kommenden Freitag im Kirchenkreis gemeinsam das Reformationsjahr. Mit einem Gottesdienst und Empfang in der Ev. Stadtkirche Unna läuten wir die Feierlichkeiten in unseren Gemeinden zum 500ten Jahrestag des Beginns der Reformation ein. Dort wird aus dem Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ die Zeile gesungen: „Und wenn die Welt voll Teufel wär und wollt uns gar verschlingen, so fürchten wir uns nicht so sehr, es soll uns doch gelingen.“ Martin Luther hat diese Worte geschrieben. Mit ihm glauben wir, dass dieser Gott es immer noch gut mit uns meint. Dass er sich zu uns gewendet hat, ohne unser Zutun. Ohne unsere Bemühungen. Weil er die Dunkelheit zwischen den Menschen nicht will. Ja, naiv ist das im besten Sinne des Worte: arglos, voller Vertrauen und an nichts Böses denkend. Haben wir mehr Mut zur Naivität, „es soll uns doch gelingen.“